Zur Hauptnavigation springenZum Hauptinhalt springen

Pressemitteilung

Der Haushalt der vergebenen Chancen

Statement der Erlanger ÖDP-Fraktion zum Haushalt 2021 der Stadt Erlangen

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Stadtverwaltung und Zuhörer*innen vor Ort als auch über den Live-Stream!

Ein außergewöhnliches Kalenderjahr liegt hinter uns, ein besonderes Jahr liegt vor uns, für das wir, der Erlanger Stadtrat, heute über den Haushalt 2021 befinden.

Wir haben beste Voraussetzungen, den Haushalt der Stadt Erlangen so zu gestalten, wie wir es für sinnvoll erachten, denn die Corona-Pandemie hat sich bisher kaum auf die Gewerbesteuereinnahmen der Stadt Erlangen ausgewirkt. Ganz im Gegenteil. Letztes Jahr wurde ein neuer Gewerbesteuerrekord erreicht. Und diese Einnahmen gleichen andere, rückläufige Steuereinnahmen bei Weitem aus.

Aus diesem Grund sind die liquiden Mittel der Stadt Erlangen zum 1.1.2021 auf 137 Mill. € angewachsen. Dies sind 48 Mill. € oder 53 % mehr als zur gleichen Zeit im letzten Jahr. Dies schafft große Spielräume und Gestaltungsmöglichkeiten, die leider nicht ausreichend genutzt werden.

Deshalb müssen wir als ÖDP Fraktion auch heuer feststellen: Es ist zum wiederholten Male ein Haushalt der vergebenen Chancen, und das nicht nur in Bezug auf den ausgerufenen Klimanotstand und die Maßnahmen, die wir eigentlich einleiten müssten, um einen Klimaaufbruch spürbar anzugehen.

Auf einige Aspekte zum zu beschließenden Haushalt gehen wir - die ÖDP-Fraktion als viertgrößte Fraktion im Erlanger Stadtrat - heute ein:  

1. Verwahrentgelt:

Erschreckend ist für uns, dass die Stadt mindestens eine halbe Millionen Euro Verwahrentgelt, also Strafzinsen an Banken, zu zahlen hat, weil es uns nicht gut genug und zeitnah, gelingt, „freies“ Geld zielgerichtet und sinnvoll zum Wohle unserer Erlanger Bevölkerung zu verplanen und zu investieren.

2. Klima- und Umweltschutz:

Die ÖDP will, dass die Stadt Erlangen im Jahr 2026 klimaneutral ist! Das ist ein ambitioniertes Ziel! Und um dieses Ziel zu erreichen, sind viel mehr Maßnahmen erforderlich, als die Stadt geplant hat. Auch wenn die Rathauskooperation aus CSU und SPD der Meinung ist, dass sie etwas getan habe und diverse Budgets aufstocken will, so ist das angesichts der dramatischen Klimasituation längst nicht ausreichend. SPD und CSU loben sich schon mal im Voraus, dass Sie in den nächsten sechs Jahren 100 Mill. € für die Klimawende ausgeben wollen. Eine große Zahl – meint man. Allerdings bedeuten diese 100 Mio Euro in Relation gesetzt, dass Sie lediglich ca. 16,6 Mio Euro im Jahr und 146 Euro pro Bürger investieren wollen. Wir halten dies für nicht ausreichend!

SPD und CSU wollen das ökologische Lager ausbremsen und haben dessen eingebrachte Anträge häufig abgelehnt, obwohl doch die 2020 vorgestellte Klimaschutzstudie von Prof. Miosga dem gesamten Stadtrat aufgezeigt hat, wo der Hebel unverzüglich angesetzt werden muss. Doch was tun Sie?

Sie hupen auch heute wieder lautstark „Klimaschutz“, aber fahren mit angezogener Handbremse! Ein Großteil unserer ÖDP-Anträge wurde von der Rathauskoalition abgelehnt, obwohl wir bei den beantragten Beträgen konservativ und seriös kalkuliert haben.

So hätten wir uns deutlich höhere Investition in die Radinfrastruktur, ein Zisternen-Förderprogramm, ein erhöhtes Sonderbudget zur Umstellung der Straßenbeleuchtung auf energiesparende LED-Technik oder den barrierefreien Bushaltestellen-Ausbau gewünscht. Das wurde abgelehnt.

Des Weiteren haben wir den Stopp der Ortsumgehung Eltersdorf beantragt, mit der durch den geplanten Kreisverkehr - laut Flächennutzungsplan – ein Gewerbegebiet in einer sensiblen Umweltfläche erschlossen werden kann. Dies wurde abgelehnt, so dass wir also die von uns mitinitiierte Bürgerinitiative „Rettet das Häsig!“ voranbringen werden, um so - zusammen mit den Erlanger Bürgerinnen und Bürgern - diesen massiven Eingriff in die Natur aufzuhalten. Wer eine wirkliche Mobilitätswende will, darf keine neuen Umgehungsstraßen bauen.

Immerhin wurde unser ÖDP-Antrag zu mehr Baumpflanzungen berücksichtigt, auch wenn er unter einem anderen Haushaltstitel geführt wird. Wir freuen uns auf die diesjährigen Berichte der Verwaltung dazu und hoffen, dass nicht gleichzeitig an anderer Stelle Bäume abgeholzt werden.

Ein weiterer erfolgreicher Antrag sei noch erwähnt, der letztes Jahr krachend durch die Haushaltsberatungen gefallen ist und für den wir seinerzeit belächelt wurden. Heuer wurde er dann einstimmig angenommen. Welch Sinneswandel nach der Kommunalwahl. Erfreulicherweise wird nun mit einem Budget von 10.000 € versucht, über eine Bezuschussung Mehrweg-Stoffwindeln in Erlangen zu fördern. Wegwerfwindeln machen einen nicht unerheblichen Teil des Abfalls aus. Ein kleines Budget, mit dem wir hoffen, dass ein echter Beitrag zur Müllreduzierung geleistet werden kann.

3. Sport und Ehrenamt:

Erfolge können wir bei unseren Haushaltsanträgen für den Sportbereich verbuchen. Ein Bereich, der uns als Familienpartei, ebenfalls sehr am Herzen liegt! Dabei ist für uns die nachhaltige und dauerhafte Stärkung des Ehrenamts sehr wichtig! So waren wir auch überrascht, dass andere Fraktionen wenige bis keine Anträge für den Sportbereich gestellt haben. Augenscheinlich sind sie mit den eingestellten Beträgen für den Sportbereich zufrieden. Wir waren es nicht!

Deshalb haben wir uns für die Erlanger Sportgemeinschaft eingesetzt, so dass nun aufgrund unserer gestellten Haushaltsanträge

  • der Zuschuss für den Erlanger Leistungssport erhöht,
  • das Sonderprogramm Sport mit Finanzmittel in Höhe von 100.000 € hinterlegt,
  • das Budget für Geräteanschaffungen sowie der Barrierefreiheit in Sportheimen erhöht wurden.

Unser gestellter ÖDP-Antrag der Budgetaufstockung über 100.000 € für Barzuwendungen an Vereine und die Übungsleiterpauschale war augenscheinlich so sinnvoll, dass der Sportbürgermeister dieses Thema aufgriff und vorschlug, diese Position „coronabedingt“ um weitere 200.000 € aufzustocken. Danke an Sie alle, dass sie dem einstimmig zugestimmt haben. Glauben Sie mir, dieser „Corona-Euro“ für unsere Erlanger Sportvereine und Sporttreibenden ist gut investiertes Geld.

Was ich an dieser Stelle nicht vergessen möchte: Auch unserem ÖDP-Antrag aus Mitte 2020 ist es mit geschuldet, dass die Sportvereine im letzten Jahr nur die hälftigen Hallengebühren zahlen mussten.

4. Ortsteil- und Stadtteilpolitik:

Auch unsere Stadtteile haben wir im Blick und Anträge gestellt, von deren Sinnhaftigkeit wir überzeugt sind, die aber leider ebenfalls von SPD und CSU abgelehnt wurden. Exemplarisch möchte ich hier benennen …

  • die Sanierung der Anlage am Dechsendorfer Weiher
  • das Vorziehen der bike&ride Maßnahme in Eltersdorf sowie das dort geplante und dringend benötigte Stadtteilhaus
  • die Aufwertung des Alterlanger Kirchweihplatzes.

Aber immerhin haben wir mit unserem Antrag zum Rudeltplatz erreicht, dass dieser sterile, aber zentrale Platz nun entsiegelt und verschönert wird.

5. Personal:

Für die Umsetzung des Klima-Aufbruchs und den daraus resultierenden Maßnahmen müssen neue Stellen geschaffen werden, aufgrund der aktuellen finanziellen Lage ist dies auch möglich! Jedoch sind im nun vorliegenden Stellenplan die Prioritäten falsch gesetzt. Selbstverständlich muss ich Stellen schaffen, wenn ich als Stadt einen kommunalen Kindergarten baue und dann betreibe. Das liegt auf der Hand und so wurden 18 neue Stellen für eine Kinderbetreuungseinrichtung geschaffen.

Warum sind Sie aber nicht so konsequent, wenn es um die Schaffung von Stellen geht, die für die Klimawende dringend benötigt werden? Die Klimaveränderung betrifft uns alle. Um die angedachten Maßnahmen umzusetzen, bedarf es auch hier ausreichend Personal.

Meinen Sie, dafür sind die neun Stellen genug, die nun geschaffen werden? Die ÖDP-Fraktion sagt hierzu: „NEIN!“ Der Klimaentscheid Erlangen mit seinen unterstützenden Organisationen vertritt ebenfalls diese Meinung. Was uns Sorgen bereitet, sind die weiterhin steigenden Vorsorgeaufwendungen. Auch das mahnen wir seit Jahren an.

6. Soziales und Gesundheitsschutz:

Wir haben vier weitere Stellen für die Jugendsozialarbeit an Schulen gefordert. Diese sind auch oder ganz besonders in Corona-Zeiten sinnvoll und wichtig. Bedauerlicherweise haben Sie diesen Stellen nicht zugestimmt. Ankündigen wollen wir schon heute, dass wir für den Haushalt 2022 erneut versuchen werden, diese wichtigen Sozialarbeiter vor Ort auszubauen, mit dem Ziel, dass in spätestens drei Jahren an alle Schulen Schulsozialarbeiter die wichtige pädagogische Arbeit unterstützen.

Auch viele weitere ÖDP-Anträge aus dem Sozialbereich, wie zum Beispiel die Erhöhung des Baukostenzuschusses für alternative Wohnformen, für Maßnahmen zur Bekämpfung von Altersarmut, Wohnkostenzuschuss für Familien mit niedrigem Einkommen, der Durchführung eines Pflegeworkshops zur Feststellung des Pflege- und Betreuungsbedarf in Erlangen, Etablierung der Seniorenberatung in noch unversorgten Stadtteilen wurden von der Rathausmehrheit abgelehnt.

Auf unseren ÖDP-Antrag hin, wurden zum Thema „Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Erlanger Schulen“ im Stadtrat endlich die Lüftungsmöglichkeiten diskutiert und nun erste Maßnahmen dazu beschlossen.

Danken möchten wir Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass Sie unseren Anträgen zur Aufstockung des Budgets für die Stadtmöblierung in Höhe von 25.000 Euro und den Zuschuss für das Stadtforscherhaus des Heimat- und Geschichtsvereins über 20.000 € gefolgt sind und ein Budget für die Anschaffungen von Defibrillatoren mitgetragen haben.

Summa summarum:

Auch wenn die Rathaus-Kooperation sich hier stolz auf die Schulter klopft, darf man sich von der Lobhudelei und der euphemistischen Schlagwortdichte nicht täuschen lassen: Dieser städtische Haushalt wird weder den anstehenden Herausforderungen, die uns durch den Klimawandel und der pandemischen Entwicklungen drohen, noch den bereits bestehenden Problemen gerecht. Daher lautet das Resümee:

Die ÖDP-Fraktion stimmt diesem Haushalt NICHT zu!

Wir sagen „Danke!“ den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung sowie der Referentin und den Referenten für die konstruktive Zusammenarbeit im abgelaufenen Jahr. Vielen Dank und bleiben Sie gesund!

Zurück